Home PraktikumEin Land steht still, wenn Weihnachten gefeiert wird

Ein Land steht still, wenn Weihnachten gefeiert wird

In loser Folge berichtet Udo Krause aus Tucheim von seiner Reise durch Russland. Heute lässt er die Volksstimme-Leser am Jahreswechsel teilhaben.

Ich wurde zu Jahresfrist in das Städtchen Moshga eingeladen, um dort in einem pädagogischen College (ähnlich deutscher Fachhochschulen), das unter anderem einen Schwerpunkt in deutscher Sprache besitzt, mal wieder als Deutscher «aufzutreten».

Selbst in Kasan hat Udo Krause eine Genthiner Volksstimme dabei. Das Foto zeigt ihn mit einem Fischer auf der zugefrorenen Wolga, die Eisdecke betrug 30 Zentimeter. Foto: Privat

Die 50 000 Einwohner zählende Stadt liegt in Udmurtien, einer Nachbarrepublik von Tatarstan. Das Berühmteste an Moshga ist die Linealfabrik «Roter Stern». Die beliefert ganz Russland. Eine weitere Besonderheit ist, dass in der Republikhauptstadt Ishewsk die weltberühmte Kalaschnikow (AK-47) erfunden wurde, an die heute ein Museum erinnert. Ansonsten bietet Udmurtien Taigawaldflächen, die fast 70 Prozent des Gebietes abdecken. Hier findet man märchenhafte Wälder. Die Udmurten sind ein Volk der finnougrischen Sprachgruppe. Das bedeutet, dass die Landessprache eine Ähnlichkeit zur finnischen oder ungarischen Sprache besitzt.

Im College angekommen, sprach ich passend zur Jahreszeit über deutsche Weihnachtstraditionen. Den Studenten war anzumerken, dass die meisten von ihnen zum ersten Mal einen «echten» Deutschen zu Gesicht bekamen. Dem entsprechend groß war die Aufmerksamkeit für meine Person.

Das Weihnachtsgefühl kam bei mir erst am 26. Dezember auf, da gab es den Weihnachtsball im Deutschen Haus. Wir organisierten eine deutsche Weihnachtsfeier, veranstalteten zahlreiche Weihnachtsspiele, sangen traditionelle Lieder und genossen Leckereien. Unter anderem wurde hier auch meine Neujahrsansprache, im staatsmännischen Stil, präsentiert. (www.youtube.com/watch?v=veRBuhm-cJU).

48-Stunden-Party für den Rutsch ins Jahr

Die Feierlichkeiten nach russischer Art begannen kurz vor dem Jahreswechsel und versetzten das Land in einen regelrechten Stillstand. Das Neujahrsfest ist der Höhepunkt des ganzen Landes. Geschenke werden nicht an Weihnachten verteilt, sondern an Neujahr. Zudem wird der russische Weihnachtsbaum (Jolka) kurz vor dem Jahreswechsel im Wohnzimmer aufgestellt.

Zwischen dem 31. Dezember und dem 9. Januar haben die meisten Menschen Urlaub. Ich wurde von meinem Freund Sergej zur Neujahrsparty eingeladen und konnte so das alte Jahr in gemütlicher Runde ausklingen lassen. Es gab sehr leckeres Essen und nette Gesellschaft. Den Jahreswechsel (zwei Stunden früher als in Deutschland) verbrachten wir am Kasaner Kreml, dem zentralen Treffpunkt. Die Silvesterparty entpuppte sich als eine spontane «48-Stunden-Party» und so kehrte ich erst am 2. Januar nach Hause zurück.

Die russische Weihnacht stellte sich dagegen als ruhig und gemäßigt dar. Am 6. Januar (nach dem russisch-orthodoxen Kirchenkalender der Heilige Abend) konnte ich in der Peter-Paul-Kathedrale, der größten Kasaner Kirche, der Weihnachtszeremonie beiwohnen. In der prachtvollen Kathedrale wurde die Messe vom Metropoliten des Bistums zelebriert. Dabei erfolgte alles nach einer strikten Liturgie, und während der gesamten Zeit des Gottesdienstes ist der Gläubige zum Stehen angehalten, da in russisch-orthodoxen Kirchen keinerlei Sitzmöglichkeit vorhanden ist.

Immer wieder wird Weihrauch geschwenkt und Gebete werden von den Priestern gesprochen. Die Gläubigen bekreuzigen sich dabei mehrfach. Auf mich, da ich sowohl katholische als auch protestantische Gottesdienste kenne, machte die Messe einen ehrfürchtigen und auch tief im Glauben verankerten Eindruck.

Tags darauf wurde ich zum Weihnachtsessen bei einer befreundeten Familie eingeladen. Nach den Feierlichkeiten hatte ich allerdings den Eindruck, dass die Schwierigkeit in Russland nicht darin besteht den Winter, sondern das reichhaltige Essen zu überleben.

Dann besuchte ich das Lenin-Wohnhaus in Kasan. Er studierte und wohnte hier für einige Zeit. Zwar bin ich kein Lenin-Fan, doch interessiere ich mich als Historiker und Politikwissenschaftler für die Person des Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin. So habe ich bisher während meiner Reisen durch Russland alle maßgeblichen Stationen des Mannes bereisen können. Angefangen vom Ort seines Studiums (Kasan), zu seinem Verbannungsort (in der Nähe von Krasnojarsk), dem Ort der Oktoberrevolution (St. Petersburg, dem späteren Leningrad, das seinen Namen trug), bis hin zu seinem Wirkungs- und Sterbeort (Moskau). Was bisher fehlte war sein Geburtsort — Uljanowsk.

Diese Lücke in meiner historischen Reiseroute konnte ich jetzt schließen. So unternahmen zwei Freunde und ich eine Exkursion in Lenins Geburtsstadt Uljanowsk. Die Stadt liegt zirka 250 Kilometer südlich von Kasan. Ursprünglich hieß der Ort Simbirsk, wurde nach Lenins Tod 1924 ihm zu Ehren umbenannt. Die Stadt gilt als bedeutendes Industriezentrum, unter anderem werden hier Flugzeuge des bekannten Herstellers «Antonow» gebaut. In Uljanowsk existiert ein überdimensional großes Museum, genannt «Lenin-Memorial», das auch historische Informationen über die Sowjetunion vermittelt.

Wer mitkommen will, möchte sich melden

Am 18. Januar konnte ich meinen Geburtstag hier in Kasan feiern. Es war ein gutes Gefühl, fernab der Heimat, von Menschen umgeben zu sein, die an meinen Geburtstag mit mir feiern wollten. Gefeiert wurde im Deutschen Haus, und man organisierte, zu meiner Überraschung, ein kleines Kulturprogramm. Ein sehr gelungener Abend.

Der Winter zeigte sich von seiner milden Seite. Die Temperaturen schwankten zwischen gemäßigten minus 8 und minus 20 Grad und machen den weiteren Aufenthalt sehr erträglich. Ich werde am 25. Februar das Land verlassen und um 19:15 Uhr mitteleuropäischer Zeit in Berlin Tegel landen.

Wer sich am Empfangskomitee beteiligen möchte, der möge sich bitte bei Familie Neumann in Tucheim melden, da ein Bus bereitgestellt wird.

http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/lokalausgaben/genthin/?em_cnt=1926658

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