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Praktikumsbericht

Dies ist ein Bericht über mein Praktikum am Deutschen Haus der Republik Tatarstan im April 2007

Praktikumsbericht

Kurzbeschreibung

Dies ist ein Bericht über mein Praktikum am Deutschen Haus der Republik Tatarstan im April 2007. Mein Name ist Philipp Jäger. Ich studiere an der Freien Universität Berlin Ethnologie und Turkologie. Bei der Praktikumssuche konzentrierte ich mich gezielt auf Kasan, da ich in meinem Studium Tatarisch lerne und das Praktikum dazu nutzen wollte meine linguistischen Kompetenzen auszubauen. Einen Monat lang organisierte ich verschiedene kulturelle Veranstaltungen für Interessierte an der deutschen Sprache und Kultur. In diesem Bericht will ich die näheren Umstände schildern und die Arbeitssituation darstellen.

Die Ankunft

Als ich Ende März auf der Anfahrt nach Kasan vom Zug aus die winterlichen Landschaften beobachtete, machte ich mir viele Gedanken, was mich wohl erwarten wird. Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten in der weitläufigen Kasaner Altstadt errichte ich das Deutsche Haus der Republik Tatarstan, zu erkennen an der gotischen Fassade der lutherischen Kirche aus dem 18. Jh..

Dort angekommen wurde mir von den Offiziellen ein freundlicher Empfang bereitet. Viktor Dietz, der Leiter des Deutschen Hauses (DH) und Olga Petrova, die Leiterin des Informationszentrums begrüßten mich und machten mich mit der Institution vertraut. Das DH und die in enger Kooperation stehende evangelisch-lutherische Kirche teilen sich die Räumlichkeiten, bestehend aus drei Büros, einer Küche, zwei Seminarräumen, einer Requisitenkammer und dem Kirchensaal. Gleich am ersten Tag lernte ich Vera, die Pfarrerin kennen, die mich ganz besonders warmherzig empfing und gleich ein paar Leute für eine Stadtexkursion mit Museumsbesuch organisierte.

Die weiteren Leute, die am DH und der Kirche tätig waren, lernte ich erst nach und nach kennen. Es sind so viele Offizielle, Semioffizielle und Aktivisten, dass es mir nach Wochen immer noch nicht gelang alle zuzuordnen. Dies zeugt von dem unglaublich großen kulturellen Programm, das am DH angeboten wird. Besonders herauszuheben wären Pfarrer Christian Herrmann und seine Frau Christa, die zeitgleich mit mir in Kasan tätig waren. Mit ihnen konnte ich über die Situation der Russlanddeutschen sprechen (auf Deutsch, was nach der erschöpfenden russischen Kommunikation sehr angenehm war) und viele interessante Dinge über die Gemeinde in Kasan erfahren.

Des Weiteren hatte ich oft mit Maxim, Veras Sohn, zu tun, der am DH als Deutschlehrer tätig ist. Mit ihm hatte ich viele tiefer gehende, manchmal sehr humorvolle, Gespräche die sich oft um den Vergleich der Mentalität drehten.
Den intensivsten Umgang hatte ich mit der motivierten und kreativen Studentin Martha, die die Jugendarbeit am DH koordiniert. Mit ihr ging ich das Programm durch und stimmte die Unterrichtsmethoden ab, um sie interessant und sinnvoll für die ansässigen Studenten, die im wesendlichen unser Publikum ausmachten, zu gestalten.

Die Arbeit

Meine Arbeit am DH bestand neben kleineren Hilfsarbeiten im Büro und der Raumgestaltung im Wesentlichen aus der Organisation von kulturellen Veranstaltungen für Interessierte an der deutschen Sprache und Kultur. Die weit auseinander klaffenden lebensweltlichen Unterschiede zwischen dem mir aus Berlin Bekannten und der kulturellen Praxis der Russlanddeutschen, ergänzt durch die Kontakte zu den zum DH zugehörigen Russen und Tataren, sensibilisierten mich für die Herausforderungen die es anzunehmen galt, um als deutscher Praktikant im Kulturmanagement effektiv zu wirken. In der Feinplanung hatte ich vollkommen freie Hand; das brachte durchaus positive Aspekte mit sich. Zwar musste ich mir am Anfang viele Gedanken machen wie ich überhaupt alles anpacken sollte, aber danach konnte ich inhaltlich und organisatorisch sehr viel variieren und Muster finden, die für die Teilnehmer ansprechend und verständlich waren.

Maßgeblich hielt ich mich an die Seminarführung, welche ich durch das deutsche Hochschulsystem kannte. So wurden die Teilnehmer allein schon durch das Format mit einer anderen Arbeitsweise konfrontiert, die ihnen (als Studenten einer russischen Hochschule) nicht vertraut war, jedoch ihre Aufmerksamkeit schärfte. Bewusst sollte sich unser Programm von den hiesigen Universitätskursen absetzen, da es keinen Unterricht sein sollte, sondern eine Ergänzung für besonders Interessierte. Die Veranstaltungen wurden komplett in deutscher Sprache geführt, mit angepasstem Niveau, so dass die Teilnehmer sich integrieren und selbst aktiv mitgestalten konnten.

Zum Glück war ich nicht allein, sondern hatte Unterstützung durch eine weitere Praktikantin aus Deutschland. Mit Stephanie, einer Studentin der Politikwissenschaft aus Jena, plante und leitete ich die Seminare gemeinsam. Wir ergänzten uns ideal; es wäre auch für eine Person allein durchaus schwierig gewesen, alles zu managen. Während ich die Konzepte für unser Seminar entwarf, Themengebiete absteckte und mit Hilfe mitgebrachter Literatur Präsentationen und Vorträge vorbereitete, suchte Stephanie geeignete Materialen im Netz und kümmerte sich um die multimediale Gestaltung. In unseren Workshops überzeugte sie durch motivierende Impulse an die Teilnehmer und geschickte Diskussionsführung, während ich mich bemühte, eine mitarbeit- und ergebnisorientierte Workshop-Durchführung zu vermitteln.

Unser Format bestand aus drei Veranstaltungen die Woche. Montags boten wir jeweils einen Workshop an, in dem ein konkretes Thema bearbeitet wurde. Dazu gab es eine Einführung, an die sich Gruppenarbeiten anschlossen. Daraufhin wurden in der versammelten Runde die einzelnen Ergebnisse präsentiert, besprochen und Vergleiche zwischen Deutschland und Russland gezogen.

Freitags zeigten wir einen Film, passend zum Thema des Workshops, dem eine kurze Einführung voran stand. Am Ende wurden zunächst die zahlreichen zum Verständnis des Films gestellten Fragen geklärt. Abschließend wurde der Film und seine Intensionen diskutiert.

Samstags übernahmen wir das schon fest am DH installierte Format «Plauderhaus» zudem deutsche Gäste zu einer Gesprächsrunde eingeladen wurden. Nach den inhaltsorientierten Seminaren unter der Woche, hielten wir die Samstagsstunden bewusst offen und veranstalteten Spiele, geführt in Deutsch, so dass die Sprache gefördert werden wurde.

Alles in allem waren Stephanie und ich sehr zufrieden mit den Veranstaltungen. Die Studenten kamen gerne und beteiligten sich rege. Ihr Interesse an der deutschen Kultur war überwältigend, dementsprechend war auch die Motivation. Von den Sprachkenntnissen war ich angenehm überrascht. Die Teilnehmer brachten gute Vorraussetzungen mit, so dass die Durchführung des Programms meist reibungslos klappte. Bislang war ich selbst nur Teilnehmer an Seminaren und Workshops, nun musste ich die Seiten wechseln und eigenständig alles organisieren. Dies war aufwendig und nicht immer einfach, vor allem in einem fremdsprachigen Umfeld, aber eine überaus wertvolle Erfahrung.

Auf den ersten Blick nebensächlich, aber eine durchaus ernstzunehmende organisatorische Aufgabe unter anderen, war das Bereitstellen der Räumlichkeiten und der Technik, damit der Seminarablauf ungehindert stattfinden konnte. Wir stellten an uns selbst einen hohen Anspruch in der Planung und Durchführung der Seminare, so dass wir viel Zeit und Mühen investieren mussten. Dies hat sich jedoch zweifelsfrei gelohnt, da die akribische Planung die Aufmerksamkeit und das Engagement der Teilnehmer stimulierte.

Ich sammelte Erfahrung darin, welche Methoden in den Veranstaltungen fruchtbar sind und wie sie zu vermitteln sind. Die Arbeit war vor allem noch in der ersten Woche problematisch, da die Teilnehmer mit Seminarmustern wie Gruppenarbeiten nicht vertraut waren. Ich stellte fest, dass der methodische Rahmen gründlich erklärt werden musste, dann aber inhaltlich beachtliche Ergebnisse zu Stande kamen.

Am wertvollsten für mich war, dass ich in den vier Wochen innerhalb und außerhalb der Veranstaltungen die interkulturelle Kommunikationskompetenz erheblich vertiefen konnte. In Berlin habe ich bereits viel mit Ausländern zu tun, doch in einem anderen Land, in dem ich mich selbst als Fremder mitteilen und verständlich machen muss, stand ich vor ganz anderen Herausforderungen. In Gesprächen habe ich Deutsch, Russisch und Tatarisch verwendet, wodurch ich meine linguistischen Fähigkeiten vertiefen konnte. Der Knackpunkt war dabei immer, sich erklären zu können, was es heißt dem Anderen die eigene Sichtweise vermitteln und wiederum ihn verstehen zu können. Dies ging weit über das Beherrschen einer Sprache hinaus und betraf die Art und Weise wie etwas erklärt werden kann, so dass der kulturell Fremde die Inhalte auffassen und begreifen kann.

Fazit

Das Praktikum am DH war für mich eine außerordentlich lehrreiche und gewinnbringende Tätigkeit. Die Rahmenbedingungen waren fordernd, wie sie besonders ein Praktikum im Ausland mit einem unvertrauten sozialen Umfeld mit sich bringt. Den Willen und die Ausdauer die anfänglichen Widerstände zu überwinden brachte ich bereits mit. Die Motivation konzentriert und effektiv zu arbeiten, gaben mir auch mich die Mitarbeiter des DH, die mich gleich in ihre Mitte aufnahmen und sich intensiv mich kümmerten. Ein Vorbild war für mich der Leiter des DH Victor Dietz, der jeden Tag unglaublich viel Energie und Leidenschaft in seine Arbeit investierte. Obwohl ich als kulturwissenschaftlicher Student aus Deutschland oftmals eine andere Sichtweise auf kulturelle Kategorien und Modelle hatte, konnte ich mit Herrn Dietz als um- und weitsichtigen Mann ausgezeichnet zusammenarbeiten.

Jederzeit würde ich wieder ans DH kommen, um bei den zahlreichen kulturellen Veranstaltungen mitzuarbeiten. Ich kann ein Praktikum am DH nur weiterempfehlen. Mit Einsatz und Engagement lassen sich beachtliche Ergebnisse erzielen. Die Erfahrung die ich gewinnen konnte, ist ungemein wertvoll und hat mich eingehend geprägt. Ich kann mir gut vorstellen auch zukünftig im interkulturellen Bereich aktiv zu sein.

Philipp Jäger

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